Jochen Fasco – „Youtube ist inzwischen Deutschlands beliebtester Nachhilfelehrer“

„Youtube ist inzwischen Deutschlands beliebtester Nachhilfelehrer“

Als Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) ist Jochen Fasco direkt am medialen Geschehen dran und wirkt auch bei der BILDUNG.digital 2022 mit. Die TLM reguliert Medien, vergibt Sende-Lizenzen und überwacht die Verbrauchersicherheit digitaler Algorithmen von Google und Facebook. Seit nahezu 30 Jahren kümmert sich die Institution auch um die Medienbildung in Thüringen. Im Gespräch mit Paul-Philipp Braun erklärt Jochen Fasco, was Medienkompetenz bedeutet und wie sich die Nutzung von Computer, Tablet und Co. in den vergangenen Jahren verändert hat.

Mit der Corona-Pandemie hat sich die Mediennutzung massiv verändert. Herr Fasco, was hat die Landesmedienanstalt damit für Erfahrungen gemacht?

Jochen Fasco: Es ging uns in der Thüringer Landesmedienanstalt so, dass wir auf einmal fast alle Besprechungen und Zusammentreffen als Videokonferenz abhielten. Aber das ging uns ja nahezu allen so, sei es beim Schulunterricht, Verwaltung und in vielen Unternehmen. Die digitale Welt hat nun sogar die Kommunikation in Freundeskreis und Familie verändert. Wir erinnern uns:  Selbst Familienfeiern wurden ja über Video-Tools abgehalten.

Es hat sich insgesamt eine Welt gezeigt, die digitaler ist und in der immer mehr Menschen vermeintlich neue Technologien nutzten. Deutschland hat insgesamt einen digitalen Schub erhalten.

Das heißt aber auch, dass Menschen lernen müssen, damit umzugehen…

Ja, und zwar immer mit einer gehörigen Portion Skepsis, nicht einfach nur anschalten und los damit. Das  ist es, was wir als Medienkompetenz verstehen. Der technische Aspekt ist dabei aber nur ein Bestandteil jener Kompetenz. Es geht wie gesagt vor allem darum, sich mit der Medienwelt kreativ und kritisch zu beschäftigen.

Wenn das klappt, gelingen Partizipation und Teilhabe ganz automatisch. Ein Mehrwert für uns alle!

Trotzdem ist das alles aber ja auch nicht ganz unkritisch zu sehen, oder?

Genau, dabei steht „cui bono“, also die Frage, „wer hat davon einen Vorteil“ über allem. Zum Beispiel muss man immer aufpassen, welche Apps man benutzt und welche Effekte das hat. Die Frage nach der Weitergabe und Speicherung von Daten oder ob eine Technik mich belauschen kann, sind heute aktueller denn je.

Dabei liegt es an jedem selbst, sich zu kümmern, was passiert und passieren kann, gerade wenn man mit neuen Geräten oder neuer Software arbeitet. Medienkompetenz ist eine Holschuld, bei der es darum geht, sich aktiv mit dem Gerät und den Inhalten auseinanderzusetzen. Ich würde mich ja auch nie in ein Auto setzen, ohne es mir genau anzuschauen, Bremsen und Lenkung zu prüfen etc.

Und wo kann Schule dabei ansetzen?

 Schule muss zunächst die Lehrerinnen und Lehrer in die Lage versetzen, sich mit genau diesen Möglichkeiten in ihrer Aktualität zu beschäftigen. Es nutzt niemandem, wenn Lehrpersonen in Welten verharren, die für jüngere Menschen unlängst vorbei sind, weil die Technik sich überlebt hat.

Nur wenn Lehrerinnen und Lehrer verstehen und verinnerlichen, dass junge Menschen anders kommunizieren und Medien anders nutzen, können sie diese zielführend einsetzen. Die Kids wissen auch, dass Youtube der beliebteste Nachhilfelehrer Deutschlands ist – auch so etwas gilt es für das Lehrpersonal zu berücksichtigen.

Und was heißt das für die Schülerinnen und Schüler?

Ich sprach eben von Medienkompetenz als Holdschuld. Es ist selbstverständlich, dass das nicht für ganz junge Menschen gilt. Diese müssen hingegen durch das Bildungssystem fit gemacht und bei ihnen muss die Kompetenz erst entwickelt werden. Lehrpläne und entsprechende Unterrichtsangebote werden in Zukunft noch viel stärker daran ansetzen müssen.

Und die TLM, in welchem Bereich setzen Sie dabei an?

Die Landesmedienanstalt ist seit 25 Jahren im Bereich Medienbildung aktiv. Thüringen war das erste Land, das die Medienkompetenzvermittlung gesetzlich verpflichtend eingeführt hat und übrigens die gerade auch die TLM damit beauftragt hat. Insgesamt hat sich bei uns im Freistaat viel getan. Ich erwähne nur den fächerübergreifenden Kurs Medienkunde, die vielen Fortbildungen, Ferienkurse, Wettbewerbe etc. Die TLM war nahezu in allen Thüringer Schulen, wir haben Workshops, Kurse und Seminare angeboten und Lehrpersonen aber auch Schülerinnen und Schüler in Sachen Mediennutzung fit gemacht.

Was in den 90er Jahren einmal mit der kreativ-kritischen Auseinandersetzung zu Radio und Fernsehen begann, ist inzwischen ein sehr breites Angebot. Insbesondere umfasst es auch digitale Medien und sogar Computerspielwelten und Programmieren bzw. Coding, übrigens spielerisch sogar schon im Kindergarten.

Zugleich regulieren Sie aber auch Medien…

Ja, das ist richtig, das ist quasi unser „Brot-und-Butter-Geschäft“. Das gilt für den Rundfunk wie auch die Interrnet-Welt, wo wir uns um die sogenannten Telemedien kümmern. Neben den Lizenzen sind wir für den Jugendmedienschutz ebenso verantwortlich, wie für die Einhaltung von Werberegelungen. Auch die Plattformen, wie z. B. Netflix oder Amazon Prime, die digitalen Assistenten, wie Alexa und Co. schauen wir uns genau an.

Bei den großen Internetgiganten Google, Facebook etc. sind wir gesetzlich beauftragt, wenn es um die Überprüfung von algorithmenbasierten Auswahlentscheidungen geht, z. B. bei den News. Die müssen u.a. diskriminierungsfrei und transparent sein. Insgesamt ein weites und spannendes Feld.

Ganz wichtig: wir bemühen uns, immer auf der Höhe der Zeit zu sein. Nur so können wir passgenaue Angebote für Schulen, Kindergärten aber auch Eltern-, Senioren- oder Familienarbeit erstellen.

Lassen Sie uns zum Abschluss auf die BILDUNG.digital kommen. Wie wird die Landesmedienanstalt sich dort präsentieren?

Zunächst bin ich sehr froh, dass wir bei der Messe mit FUNKE einmal mehr kooperieren können. Insgesamt haben wir vier Angebote, die die Landesmedienanstalt bereitstellt.

Einerseits werden wir drei Workshops zur Thüringer Schulcloud, zu Fakenews und Desinformation sowie zu Robotik im Schulalltag anbieten.

Zum anderen geht es darum, unser Projekt „Deutsche Einheit in Erfurt“ vorzustellen. Dabei haben wir gemeinsam mit den Tageszeitungen der FUNKE Medien Thüringen, der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße und der Erfurter Initiative „Blinde Flecken“ ein crossmediales Angebot geschaffen, das sich einzigartig und unter Nutzung moderner Technik mit dem Ende der DDR beschäftigt. „Deutsche Einheit in Erfurt“ ermöglicht einen interaktiven und zeitgemäßen Blick auf die Geschichte der Friedlichen Revolution.  Dadurch wird der Unterricht sprichwörtlich zu einer Erfahrung, die wir im Rahmen der BILDUNG.digital zeigen und erklären wollen.

Ich bin sicher, dass es für den ein oder anderen an historischer Stätte Gänsehaut-Erfahrung geben wird.

Weitere Informationen zum Kongressprogramm der BILDUNG.digital 2022 finden Sie hier.