Julia Knopf – Keynote – BILDUNG.digital 2023

Julia Knopf – Keynote – BILDUNG.digital 2023

„Die Digitalisierung in der Bildung braucht analogen Austausch“

ERFURT, den 9. August 2022. Julia Knopf ist Professorin für Fachdidaktik Deutsch Primarstufe an der Universität des Saarlandes. Seit Jahren beschäftigt sie sich mit digitalen Lernangeboten. Im Gespräch mit Paul-Philipp Braun erklärt sie, wieso digitale Angebote aber nur etwas nutzen, wenn sie klug eingesetzt sind und was Künstliche Intelligenz für die Bildungslandschaft bedeutet. Julia Knopf wird bei der Messe BILDUNG.digital 2022 die Keynote halten.

Frau Professor Knopf, Sie beschäftigen sich seit einigen Jahren mit der Erforschung digitaler Lehr- und Lernprozesse im Deutschunterricht. Was muss man sich unter diesem Forschungsfeld konkret vorstellen?

Ich betrachte gemeinsam mit meinem Team die Herausforderungen und Potenziale, die die Digitalisierung für das Lehren und Lernen entlang der lebenslangen Bildungskette haben. Es geht mir dabei bewusst nicht nur um die Ausstattung mit Endgeräten, sondern um die Erforschung konkreter inhaltlicher Möglichkeiten, wie digitale Medien in unterschiedlichen Fächern und Jahrgangsstufen sinnvoll eingesetzt werden können.

Sie haben sich bereits vor der Pandemie mit digitalen Lehr- und Lernangeboten beschäftigt. Wie sah das Lernen damals aus?

So unterschiedlich wie auch heute noch. Im Prinzip gibt es schon immer eine Fülle an Möglichkeiten, aus denen die Lehrkraft für ihren Unterricht auswählen kann. Das Hinzukommen der digitalen Angebote erweitert aus meiner Sicht das bisherige Angebot und stellt damit eine Chance zur qualitativen Verbesserung von Unterricht dar – vorausgesetzt die Lehrkräfte werden weitergebildet und können die neuen Angebote beurteilen.

Was hat sich durch Lockdowns und Homeschooling beim Lernen verändert?

Es ist definitiv ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Veränderungsprozesses entstanden. Uns wurde klar vor Augen geführt, wo wir in Deutschland in Bezug auf die Digitalisierung in der Bildung stehen. Gleichzeitig ist aber auch deutlich geworden, dass die Ausstattung mit Endgeräten allein nicht reicht. Lehrkräfte und Schüler:innen müssen wissen, wie man diese sinnvoll im Unterricht einsetzt. Das wiederum erfordert Beispiele und strukturierte Weiterbildung. Das sind wichtige Schritte, ohne die die Digitalisierung in der Bildung nicht gelingen wird. Wir müssen weg von dem Denken, dass die digitale Transformation in der Bildung „schnell“ gelingt. Dieser Eindruck wird oft erweckt: Das Durchführen einer Videokonferenz oder die Vorbereitung einer Powerpoint-Präsentation mit Texten und Bildern ist noch kein digitales Lehr- und Lernangebot.

Immer wieder schreiben Sie Artikel und Beiträge zu Fragestellungen der Zukunft. Wie sieht diese Zukunft Ihrer Ansicht nach aus? Was wird sich in der Gesellschaft verändern?

Vieles verändert sich rasant und nicht wenige Menschen haben das Gefühl, in unterschiedlichen Bereichen abgehängt zu werden. Das ist schon heute der Fall, da muss man gar nicht in die Zukunft schauen. Hier will ich Mut machen, neugierig zu bleiben und sich mit den Veränderungen auseinanderzusetzen. Auch wenn oft von den sogenannten „Zukunftskompetenzen“ gesprochen wird, bin ich davon überzeugt, dass es vor allem die schon lange bewährten Kompetenzen sind, auf die wir wieder mehr achten müssen: soziale Kompetenzen, Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikationsfähigkeiten, kreatives Denken. Das ist nicht neu, aber zur Auseinandersetzung mit den Phänomenen der Digitalisierung essentiell.

Und was wird sich im Schulischen verändern?

Ich hoffe, dass wir nicht mehr lange über die Frage sprechen müssen, ob Unterricht digital, analog oder hybrid ist, ob man Schulbücher braucht oder nicht, ob man besser eine App nutzt oder doch lieber ein Rollenspiel aufführt. Ich wünsche mir einen selbstverständlichen Umgang mit allen Angeboten, die auf dem Markt sind – und eine kompetenzorientierte Auswahl dieser Angebote: Manchmal ist die digitale Lernumgebung besser, manchmal die analoge.

In wenigen Wochen findet die BILDUNG.digital statt. Wieso ist es für Sie persönlich wichtig, an der Messe teilzunehmen?

Bildungsakteure müssen sich treffen und austauschen, Fragen stellen, Antworten geben und sich vor allem auch inspirieren lassen. Allein die Erkenntnis, dass auch andere Menschen sich auf den Weg gemacht haben, dass manchmal etwas gelingt, manchmal nicht, ist so wichtig. Die Digitalisierung in der Bildung braucht Austausch – und das geht vor allem analog am besten.

Welchen Mehrwert sehen Sie für Lehrende, wenn es um solche Messe- und Kongressveranstaltungen geht?

Da gibt es verschiedene Facetten: Ich habe zum einen die Erfahrung gemacht, dass gerade technologische Innovationen ausprobiert werden müssen. Praktische Erfahrungen sind für mich daher ein erster Mehrwert. Wer zum Beispiel noch nie eine VR-Brille aufgesetzt hat, kann nicht beurteilen, welches didaktische Potenzial sie vielleicht für den eigenen Unterricht haben kann. Ein zweiter Aspekt ist die Vernetzung mit anderen. Jeder Bildungsakteur hat bereits Erfahrungen gemacht, kann vielleicht Tipps geben oder kennt gute Angebote.

Die Auflistung auf Ihrer Webseite umfasst 180 Lehrerforbildungen und Vorträge und fast 200 schriftliche Publikationen. Womit werden Sie sich in Ihrer Keynote auf der BILDUNG.digital auseinandersetzen?

Gegenwärtig gibt es viele oberflächliche Diskussionen über das Thema Digitalisierung und Bildung. So werden oft nur Schlagwörter genannt, ohne konkrete Vorschläge für den Schulalltag. Und es gibt vermeintlich gute Tipps, die aber bei genauerem Hinsehen nichts mit dem tatsächlichen Unterricht zu tun haben. Hier setze ich an und werde konkrete Beispiele aufzeigen, die – so hoffe ich zumindest – sinnvoll in den Schulalltag integriert werden können, z.B. werde ich ein Tool vorstellen, das den Schreibtisch der Lehrkraft in einer Software abbildet und so bei der Unterrichtsvorbereitung unterstützt. Oder ein Plattformkonzept für das Lernen, das wie Instagram funktioniert.

Welche innovativen Ansätze wünschen Sie sich für die Bildungslandschaft?

Ein relevantes Thema für mich im Moment ist die Frage, wie Künstliche Intelligenz (KI) wirklich sinnvoll eingesetzt werden kann für das Lehren und Lernen. Ich habe gegenwärtig den Eindruck, dass KI oft eher als „Marketinginstrument“ verwendet wird und bei genauerem Hinsehen in einer Anwendung nicht viel von KI zu entdecken ist. Ich bin davon überzeugt, dass sie viele Potenziale birgt zur Differenzierung und Individualisierung von Unterricht. Aber hier braucht es Didaktiker, die sich mit KI auseinandersetzen und das Potenzial für den Unterricht beurteilen.

Lassen Sie uns zum Abschluss noch einmal persönlich werden: Was lesen Sie – die Professorin für Deutschunterricht – denn gerade?

Ich habe vor dem Interview gerade ein Bilderbuch beendet, das ich schon mehrmals gelesen habe und für meine Vorlesung verwenden möchte: „Die Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor“ von Martin Baltscheit. Die Geschichte handelt von einem Fuchs, der an Demenz erkrankt und in der Gemeinschaft Geborgenheit findet. Inhaltlich und sprachlich äußerst pointiert dargestellt, mit Bildern, die den Verlust des Verstandes eindringlich, aber auch sensibel illustrieren. Für mich immer wieder ein Genuss.

Und dann auf dem digitalen E-Reader oder als ganz analoges Buch?

Ganz analog.

Weitere Informationen zum Kongressprogramm der BILDUNG.digital 2022 finden Sie hier.