Thomas Strasser Keynote BILDUNG.digital Bildungsmesse Essen

Thomas Strasser – Keynote – BILDUNG.DIG!TAL

Thomas Strasser – Keynote – BILDUNG.DIG!TAL – „Schule muss die Netzkultur verstehen“ 

 Thomas Strasser hält die Keynote zur Kongressmesse BILDUNG.DIG!TAL. Er ist Professor für technologieunterstütztes Lehren und Lernen an der Pädagogischen Hochschule Wien. Am 23. September ist er einer der Keynote-Speaker auf der BILDUNG.digital und wird Lehrenden, Lernenden, Schulträgern und Wirtschaftsvertretern einen Einblick in seine Sicht auf das digitale Lernen geben.

Herr Strasser, Sie raten den Menschen „Trauen Sie keinem digitalen Trend“, dennoch setzen Sie sich für Digitalisierung an Schulen ein. Wie geht das zusammen?

Das passt eigentlich ganz gut und ich sage diesen Satz recht oft. Er impliziert eine Haltung, die alle Lehrenden haben sollen: Man muss immer kritisch hinterfragen, ob eine neue Technologie wirklich das ist, was ich brauche. Passt es zu meiner Zielgruppe und zu meinem Fächerkanon?

Es ist also eher der Aufruf, trotz vieler digitaler Angebote immer wieder zu schauen, was man wirklich nutzen kann. Nur weil etwas hochgradig digital ist, heißt das noch lange nicht, dass es auch für den Unterricht sinnvoll ist. Guter Unterricht und nachhaltiges Lernen hat sich daraus entwickelt, dass Menschen didaktische Ansätze kritisch hinterfragen.

Sie sagen, dass Lernende neue Kompetenzen brauchen, wieso das?

Die Art und Weise, wie Wissen aufgenommen und verarbeitet wird ändert sich ständig. Wir leben – auch wenn es sicher platt klingt – im Zeitalter der Digitalisierung. Information ist die neue Währung und das müssen wir immer bedenken.

Heute prasseln auf uns Unmengen an Wissen ein, das müssen wir sortieren. Natürlich braucht es noch immer Fachwissen. Aber unsere Lernenden müssen eben auch verstehen, wie sie mit Informationen umgehen. Wir sprechen hierbei von der sogenannten Informationskuratierung; also der bewussten Auswahl, wann man welches Lernmaterial wofür verwendet.

Und Lehrende, wie ist es mit denen?

Da ist die Sache ganz ähnlich. Allerdings geht es bei denen – wenn es um die Informationskuratierung geht – eben vor allem darum, Unterrichtsmaterial und Angebote zu sortieren, zu archivieren und  zu beurteilen.

Wir haben während des Homeschoolings immer wieder erlebt, dass viele Linklisten zur Verfügung gestellt wurden. Jede Schule und jede Hochschule hat eine solche Liste als eine Art „Notfallwerkzeugkasten“ angeboten. Das Problem dabei ist, dass reine Links nichts bringen. Keine Lehrkraft hat da noch durchgeblickt, welche Anwendung, welche App wofür wirklich sinnvoll ist.

Wir brauchen daher das Wissen, wie Lerntechnologien im jeweiligen Fach didaktisiert und im Unterricht eingesetzt werden können.

Wie können diese Kompetenzen vermittelt werden?

Es muss bei den Lehrenden und den Verantwortlichen ein Gefühl dafür geschafffen werden, wie Blended Learning funktionieren kann.  Oder anders: Wie kann guter analoger Unterricht durch digitale Angebote noch ergänzt werden bzw. wie schaut analog-digital verschränkter Unterricht aus?

Dafür gibt es aus unserer Sicht als Pädagogischer Hochschule Wien unterschiedliche Bereiche, die zu beleuchten sind. Darunter fällt zum Beispiel auch die  Fortbildung der Lehrenden. Die ist allerdings oft nur sehr punktuell und auf ein Phänomen beschränkt. Ansetzen muss man allerdings bereits in der nachhaltigen Ausbildung der Lehrkräfte. Bereits da sollte auf Themen wie Datensicherheit, digitaler Zeitgeist, Nutzung von digitalen Werkzeugen aber auch den Bereich der Künstlichen Intelligenz eingegangen werden.ochschule Wien zwei

Was brauchen Bildungsangebote, um aus Ihrer Sicht auch im Jahr 2021 noch modern und zugleich zielführend zu sein?

Ich denke, dass Menschen, die im Bildungssystem unterwegs sind, sich vor allem der digitalen Zeit annähern sollten. Interaktive Videos und Podcasts sind zum Beispiel gute didaktische Mittel.

Um unsere Schülerinnen und Schüler zu erreichen, müssen wir noch stärker in die Richtung der Streaming-Kultur gehen. Es geht um Youtube-Kanäle und non-lineare Angebote, auf die unabhängig von Zeit und Ort zugegriffen werden kann. Schule muss die Netzkultur verstehen und Lehrkräfte brauchen ein gewisses Verständnis für einen Teenage-Zeitgeist. Da kann es nicht schaden, wenn sie wissen, was gerade im Netz abgeht und welche Influencer angesagt sind.

Inwiefern kann das Angebot der BILDUNG.digital zu diesem Umdenken beitragen?

Wenn ich mir Aussteller und Vortragsprogramm anschaue, finde ich schnell den wichtigsten Aspekt, den die Veranstaltung bietet: Sie bringt verschiedene Bereiche und Professionen zusammen. Viele Bildungsinstitutionen können von Unternehmen und Start-Ups  lernen und umgekehrt. Das ist etwas ganz Besonderes. Dazu kommt, dass die Messe Themen auf den Schirm bringt, die sehr gefragt sind – etwa Künstliche Intelligenz, die bei Bildung in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen wird.

Prof. Thomas Strasser, Sie werden auch selbst referieren und halten die Keynote zur BILDUNG.digital. Was dürfen die Gäste von Ihrem Vortrag erwarten?

Mein Vortragstitel heißt „Schwung in die Kiste – Was kann die Bildungslandschaft von der Kirmes lernen?“

Dabei will ich mit einprägsamen Bildern darlegen, was beim Unterrichten mit digitalen Medien gut funktionieren kann, wo es vielleicht ein bisschen zu rasant oder zu langsam geht und was das mit einer Achterbahn zu tun hat. Ich versuche zu erklären, welchen Schwung man aus der Pandemie mitnehmen kann und wo es ratsam ist, auch mal die Bremse zu ziehen. Ich werde also eine Handlungsempfehlung geben, in welchen Bereichen das Lernen unter Bedingungen der Digitalität grundsätzlich sinnvoll ist – oder auch nicht.

Interview: Paul-Philipp Braun